Stell dir vor, du lebst in einem der ärmsten und konfliktreichsten Länder der Welt – und trotzdem kämpfst du Tag für Tag für das globale Klima. So geht es François Kamate, einem Aktivisten aus Goma im Osten der D.R. Kongo. Was er und seine Mitstreiter*innen erreicht haben, ist beeindruckend: Sie haben es geschafft, internationale Aufmerksamkeit auf ein drohendes Desaster zu lenken – und vorerst zu stoppen. Ihr Kampf gegen eine drohende „Kohlenstoffbombe“, die nicht nur ihre Heimat, sondern das globale Klima gefährdet, ist bemerkenswert.
Die kongolesische Regierung plante die Erschließung von 27 Öl- und 3 Gasfeldern in einem der empfindlichsten Ökosysteme der Welt: dem Kongobecken. Dort liegen riesige Torfmoore, die mehr Kohlenstoff speichern als der gesamte Amazonas. Das ist ein Schatz für die Menschheit, aber auch ein potenzieller Klimakollaps, wenn er zerstört wird.
Trotz Repression, Angst und fehlender Ressourcen organisierte die Bewegung „Notre Terre Sans Pétrole“ kreative Proteste, Konzerte und Online-Kampagnen. Sie setzten alles aufs Spiel, um ihre Botschaft hörbar zu machen: Unser Land ist kein Rohstofflager für fremde Interessen. Unsere Natur ist nicht verhandelbar.
Zwar wurde die Ausschreibung der Förderrechte zunächst gestoppt – ein großer Sieg für die Aktivist*innen. Doch der Kampf ist längst nicht vorbei: Die neue Regierung kündigte an, die Projekte in angepasster Form weiterverfolgen zu wollen. Für viele in der Bewegung ist klar: Sie verteidigen nicht nur ihr Land – sie kämpfen für die Zukunft unseres Planeten. Die vollständige Übersetzung des Englischen Interviews findest du weiter unten.
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Wie kongolesische Klimaaktivist*innen eine „Kohlenstoffbombe“ vorerst stoppen konnten
Nach anhaltenden Kampagnen und zunehmender weltweiter Verurteilung hat die kongolesische Regierung eine gefährliche Öl- und Gasauktion vorübergehend abgesagt.
Aus dem Original von Adem Ay in Waging Nonviolence am 3. Januar 2025.

„Ich war sehr wütend. Ich war erstaunt. Alles, was ich sah, war gestohlen“, sagte François Kamate, ein Umweltaktivist aus der Demokratischen Republik Kongo (D.R. Kongo). Er beschrieb, wie er sich fühlte, als er das Königliche Museum für Zentralafrika in Belgien zum ersten Mal betrat.
Das Museum wurde in einem reichen Vorort von Brüssel erbaut, um die Beute auszustellen, die König Leopold II. in einem riesigen Gebiet Zentralafrikas, einschließlich der gesamten heutigen D.R. Kongo, zu seinem Privatreich erklärte. Das Ergebnis war eine der grausamsten und ausbeuterischsten Episoden der europäischen Kolonialgeschichte. Zehn Millionen zoologischen Exemplaren und 120.000 kulturellen Objekten wurden in die Sammlung des Museums aufgenommen.
Kamate erstaunte das Ausmaß der ausgestellten Plünderungen. Er war erschüttert über die Tatsache, dass der belgische Staat sich noch immer durch den Verkauf von Eintrittskarten bereichert. Schockiert war Kamate über das Konzept eines Museums, das schamlos die Ergebnisse eines solchen Verbrechens ausstellt. „Ich hatte keine Ahnung, dass es solche Orte gibt“, sagte er.
Zusammen mit einer kleinen Gruppe lokaler Aktivisten klebte Kamate Zettel an die Schränke der Ausstellung. Damit forderte die Gruppe die Rückgabe der gestohlenen Gegenstände sowie die Streichung der historischen Schulden der D.R. Kongo. Diese Schulden hat das Land bei westlich kontrollierten Institutionen wie der Weltbank und dem IWF. Die Schulden wurden zum Teil durch korrupte kongolesische Regime angehäuft, welche vom Westen gestützt werden. Außerdem schaden dieselben westlichen Nationen der D.R. Kongo durch ihre Kohlenstoffemissionen.
Die D.R. Kongo ist eines der durch den Klimawandel am stärksten gefährdeten Länder der Welt. Zunehmend unregelmäßige Regenfälle haben zu katastrophalen Überschwemmungen, Schlammlawinen, sich verschlimmernden Dürren, sinkenden Ernteerträgen, weit verbreiteten Krankheiten und massiven finanziellen Verlusten geführt.
Bevor er nach Brüssel kam, sprach auf einer Protestveranstaltung Kamate vor einem Apple Store in Berlin. Er erklärte, dass der Tech-Gigant „Blut an seinen Händen“ habe. Denn Apple bezieht Mineralien über eine von Ruanda unterstützte Miliz (M23), die an der Ostgrenze der D.R. Kongo Völkermord begeht. Die M23 hatte Kamate drei Jahre zuvor gezwungen, seine ländliche Heimat zu verlassen und in der nahe gelegenen Stadt Goma Zuflucht zu suchen.

Kamate war jedoch vor allem nach Europa gekommen, um der deutschen Regierung eine Petition zu überreichen. Die Petition war von Aktivisten in Deutschland als Reaktion auf eine große Versteigerung von Ölvorkommen in der D.R. Kongo gestartet worden. Sie forderte die deutschen Minister auf, sich an die kongolesische Regierung zu richten, damit sie ihre Regenwälder vor der Ölexploration schützt. Dabei wurden 65.000 Unterschriften gesammelt. In der gleichen Zeit würde die Kongobecken-Allianz ins Leben gerufen. Das ist eine neue Gruppe, die sich auf die Vernetzung von Klimaaktivisten in Europa und Zentralafrika konzentriert. Sie engagiert sich für Klimagerechtigkeit und Frieden in der D.R. Kongo.
Kamate übergab die Petition schließlich einem Vertreter des deutschen Außenministers. Dieser sagte: „…dass die deutsche Regierung über die kongolesische Ölauktion schockiert sei und dass man daran arbeite, sie zu beenden“.
DIE AUKTION, DIE EINE KLIMABOMBE ZÜNDETE
In den letzten 50 Jahren bestand die gesamte Öl- und Gasindustrie der D.R. Kongo aus einer handvoll kleiner Onshore- und Offshore-Ölquellen. Diese lagen bei Moanda, einer Region an der winzigen Westküste der D.R. Kongo, die von dem anglo-französischen Unternehmen Perenco betrieben wurden.
Jahrzehntelange gab es koloniale Plünderungen, Korruption in der Verwaltung und regionale Kriege. Dadurch ist die D.R. Kongo stark unterentwickelt und ihre Ölreserven weitgehend unzugänglich. Obwohl das dicht bewaldete Land so groß wie Westeuropa ist, gibt es so viele befestigte Straßen wie Luxemburg.
Doch im Jahr 2022 eröffnete die kongolesische Regierung eine Auktion. Dabei sollten Lizenzen zur Erkundung von Öl und Gas Blöcken im ganzen Land versteigert werden. 27 Ölblöcke und drei Gasblöcke wurden den Unternehmen für fossile Brennstoffe zur Verfügung gestellt. Die Regierung versprach den Unternehmen die Rechte an einem der potenziell größten Ölvorkommen in Afrika. Angeblich sollte die Auktion transparent, unparteiisch und wettbewerbsorientiert verlaufen.
Schockierend an der Auktion war, dass sich überschnitt knapp die Hälfte dieser Blöcke mit Schutzgebieten und damit gegen die Umweltgesetze der DRK verstieß. Drei Blöcke betrafen den Virunga-Nationalpark, ein UNESCO-Welterbe im kriegsgebeutelten Osten des Landes. Aus planetarischer Sicht noch schlimmer war, dass drei Blöcke in das Kongobecken hineinragten.
Das Kongobecken ist das größte tropische Torfgebiet der Welt. Es ist die Heimat von rund 80 Millionen Menschen. Im Kongobecken gibt es den einzigen tropischen Regenwald der Erde, der noch immer mehr CO2 aufnehmen kann als er ausstößt. Sollte dieser Wald durch Ölbohrungen gestört werden wird er von einer Kohlenstoffsenke zu einer Kohlenstoffbombe. Wenn die Regierung den Wald für Holzfäller und Wilderer öffnet und Bohrungen zulässt, wird das komplette Ökosystem zerstört. Dann würde der Wald jedes Jahr mehr Kohlenstoff ausstoßen als Amerika.
Die Lage war so ernst, dass der US-Klimabeauftragte John Kerry nach Kinshasa reiste. Er forderte die kongolesische Regierung auf, die Ölblöcke im Kongobecken und in Virunga vom Verkauf auszuschließen. Die kongolesische Regierung lehnte seine Bitte ab und beharrte darauf, dass die riesigen natürlichen Ressourcen des Landes zum Nutzen der Bevölkerung erschlossen werden müssten. Doch die verarmten Gemeinden von Moanda, die seit Jahrzehnten von den Ölquellen von Perenco umgeben sind, erzählen eine ganz andere Geschichte.
Das Ackerland in Moanda ist schon unfruchtbar geworden. Dadurch sind viele Familien gezwungen für ihr Einkommen Bäumen zur Herstellung von Holzkohle zu fällen. Die örtlichen Gesundheitszentren berichten bereits über einen starken Anstieg von Atemwegserkrankungen und Hautausschlägen. Eine örtliche Nichtregierungsorganisation (NGO) fand Beweise für Ölverschmutzungen, Giftmüllablagerungen und Gasverschmutzungen. Zwei französische NGOs haben Perenco nun wegen Umweltschäden verklagt. Der Ölkonzern hat diese Behauptungen bestritten und die dokumentierte Verschmutzung auf Sabotage zurückgeführt. Journalisten von Investigate Europe fanden heraus, dass Perenco über 1 Million Dollar an Unternehmen des ehemaligen Präsidenten der D.R. Kongo, Joseph Kabila gezahlt hat.
Als im Jahr 2023 bekannt wurde, dass Perenco an der Auktion teilgenommen und Gebote für zwei Ölblöcke abgegeben hatte, die sich mit einem größeren Teil des Gebiets von Moanda überschnitten, waren die Menschen vor Ort verzweifelt. Die Blöcke umfassten Land, auf das verzweifelte Bauern ihre Felder verlegt hatten, um der Verschmutzung durch die aktuellen Ölquellen zu entgehen. „Wie sollen wir uns jetzt ernähren?“, fragte einer.
PÉTROLE NON MERCI
Bevor der Krieg ihn nach Goma zwang, lebte Kamate auf einer kleinen Farm in Rutshuru, einem gebirgigen Gebiet, das einen großen Teil des Virunga-Nationalparks umfasst. Der Park, der eine unglaubliche Vielfalt an Wildtieren beherbergt – darunter auch gefährdete Berggorillas -, war erst 2014 von der Ölindustrie bedroht worden, als das britische Unternehmen SOCO International mit seismischen Tests in einem der Seen begann.
Kamate schloss sich einer Protestkampagne an, die von den Parkwächtern initiiert worden war, und erlebte mit, wie diese Kampagne auf die ganze Welt ausstrahlte und schließlich dazu führte, dass die Ölgesellschaft vertrieben wurde. SOCO war so angeschlagen durch den Vorfall – bei dem protestierende Parkwächter bestochen, gefoltert und erschossen wurden -, dass sie beschloss, ihren Namen zu ändern.

Als im Jahr 2021 Berichte über eine neue Ölauktion auftauchten und klar wurde, dass der Park erneut zur Beute raffgieriger Ölkonzerne werden könnte, war ein großes Netzwerk lokaler Aktivistengruppen bereit zu reagieren. Kamate war inzwischen Koordinator von XR Rutshuru, einer lokalen Sektion von Extinction Rebellion, und er war überzeugt, dass der einzigartige gewaltfreie Aktivismus der Bewegung die Ölindustrie endgültig aus Virunga vertreiben könnte.
Seine kleine Gruppe von Aktivisten begann, Dörfer in der Umgebung des Parks zu besuchen, öffentliche Versammlungen in Gemeindehäusern und Schulen abzuhalten, um auf die bevorstehende Versteigerung aufmerksam zu machen, und Moanda als Beispiel dafür zu verwenden, wie die Förderung fossiler Brennstoffe Gemeinden, die von demselben Land abhängig sind, zerstören kann. „Rechtlich gesehen hätte die Regierung diese Menschen über die Versteigerung konsultieren müssen“, sagte er. „Wenn der Park geschädigt würde, wäre ihr Leben völlig aus den Fugen geraten. Aber sie waren erstaunt. Sie wussten nichts davon.“
Ein Dutzend Dörfer wurden besucht, bevor ein Wiederaufflammen des Krieges in der Region die Besichtigung zu schwierig machte. Doch nachdem die Dorfbewohner über die Versteigerung informiert worden waren, beschlossen sie einstimmig, Widerstand zu leisten. Dorfvertreter reisten mit den Aktivisten zurück nach Goma und marschierten zur Provinzversammlung, um dem Gouverneur ein Memorandum zu übergeben, in dem sie ihre Ablehnung der Versteigerung zum Ausdruck brachten. Die Demonstrationen verliefen stets friedlich und folgten den kongolesischen Gesetzen, wobei die Behörden schriftlich darüber informiert wurden, wo und wann sie stattfinden würden. Bei einer Gelegenheit traf sich der Gouverneur mit einigen der Demonstranten und versprach, deren Anliegen an den Minister für Kohlenwasserstoffe weiterzuleiten. Aber ansonsten wurden sie mit Repressionen empfangen.
„Wir sangen Lieder und schwenkten Transparente“, erinnerte sich Kamate. „Wenn die Polizei kam, setzten wir uns im Kreis und hielten uns gegenseitig fest, damit sie uns nicht wegschleppen konnten. Sie sagten uns, unser Protest sei nicht genehmigt. Manchmal schlugen sie uns.“ Er wurde so oft verhaftet, wie er sich nicht erinnern kann, und über Nacht sowohl in Polizeizellen als auch in Militärlagern eingesperrt. Nach einer Aktion wurde er wegen Terrorismus angeklagt, aber der Fall wurde aus Mangel an Beweisen fallen gelassen.
Die Bewegung „Extinction Rebellion“ nahm ihren Anfang in den Räumen der Universität Goma. Nach der Gründung der XR Université de Goma bereisten die studentischen Aktivisten die Regionen rund um die Stadt, um für gewaltfreie direkte Aktionen zu werben. Mit dem Aufkommen der Auktion begannen sie, das ganze Land zu bereisen, Tausende von Kilometern zurückzulegen, um Gemeinden zu besuchen, die auf geplanten Öl- und Gasblöcken leben, und gründeten unterwegs neue XR-Gruppen.
Ihre landesweite Kampagne mit dem Namen „Pétrole Non Merci“ reichte sogar bis an die Westküste Moandas, wo die Einheimischen das Ethos der Extinction Rebellion in ihrem Kampf gegen den Ölkonzern Perenco bereitwillig übernahmen. Wochen nach ihrer Gründung veranstaltete die XR Moanda eine zeitgleiche Straßenkundgebung mit Aktivisten der Extinction Rebellion in Großbritannien. Während die moandanischen Rebellen über die Feldwege des Hauptortes des Bezirks (der ebenfalls Moanda heißt) marschierten, protestierten Rebellen aus London und Bournemouth vor dem Londoner Hauptsitz von Perenco.
Die Kampagne gegen Perenco im Vereinigten Königreich begann persönlich. Das Unternehmen besaß ein kleines Ölfeld in Dorset an der englischen Südküste, das Monate zuvor leckgeschlagen war, den Hafen zu beschränken und ein Naturschutzgebiet zu beschädigen. Als lokale XR-Aktivisten erkannten, dass Perenco die Gemeinden ruinierte in der D.R. Kongo haben sie sich an die XR Université de Goma gewandt und dafür gesorgt, dass einer ihrer Koordinatoren an den Perenco-Protesten in London teilnimmt. Durch Visa-Probleme schaffte es der kongolesische Aktivist es nur bis nach Paris.

Ralph Doe, ein englischer Aktivist, der den Perenco-Protest mitorganisiert hat, steht immer noch in Kontakt mit seinen kongolesischen Kameraden und ist immer noch dabei, sowohl Perenco als auch die britische Umweltbehörde um Einzelheiten über die Ölpest in Dorset zu bitten. „Erst hieß es, es handele sich um einen größeren Vorfall“, erklärte er. „Dann hieß es, es handele sich um einen kleineren Zwischenfall, und jetzt ist alles wieder in Ordnung. Aber es gibt nirgendwo konkrete Informationen darüber“. Nach fast zwei Jahren hat die britische Regierung ihren Bericht über die Ölpest noch immer nicht fertig gestellt.
ALLES ANDERE ALS GRÜN UND FRIEDEN
Extinction Rebellion war nicht die einzige Umweltgruppe, die die Gemeinden auf den Öl- und Gasblöcken besuchte. Greenpeace Africa, eine Organisation mit tiefen Wurzeln in der D.R. Kongo, begann mit der Organisation von Exkursionen, sobald die Auktion begann. Ihre Waldschützer erreichten sogar die abgelegenen Dörfer tief im Dschungel des Kongobeckens und brachten die internationalen Medien mit. Journalisten von Al Jazeera, TV5Monde und anderen berichteten über den Schock und die Wut der Menschen vor Ort, als sie erfuhren, dass ihr angestammtes Land zum Verkauf steht.
Greenpeace Afrika begann auch, sich an andere Umwelt- und zivilgesellschaftliche Gruppen zu wenden und bildete eine informelle Koalition, um bei den weltweit größten Ölgesellschaften und Versicherungsunternehmen Lobbyarbeit zu leisten. In Briefen und umfassenden Berichten wurden sie gewarnt, sich von der Auktion fernzuhalten und die Behauptung eines führenden Klimawissenschaftlers aufzugreifen, dass die D.R. Kongo „der schlechteste Ort der Welt für Ölbohrungen“ sei.
Die Koalition half bei der Verbreitung einer Petition an den kongolesischen Präsidenten, die schließlich mehr als 100 000 Unterschriften erhielt, und organisierte Märsche gegen fossile Brennstoffe durch Kinshasa, an denen Hunderte von kongolesischen Aktivisten teilnahmen. Patient Muamba, ein ehemaliger Waldaktivist von Greenpeace, der die Kampagne gegen Öl und Gas drei Jahre lang mit angeführt hat, lacht, als ich ihn frage, ob dies einen Einfluss auf die Regierung hatte. „Man konnte ihre Reaktion sehen. Die Minister gaben im Fernsehen Erklärungen gegen uns ab.“
Der Umweltminister prangerte Greenpeace an als „alles andere als grün und friedlich“ und behauptete, deren Mitglieder seien „Nutznießer imperialistischer Geldgeber“. Der Kohlenwasserstoffminister stellte wiederholt den Patriotismus derjenigen in Frage, die gegen die Auktion protestieren, und unterstellte den Aktivisten, die sich für den Virunga-Nationalpark einsetzen, dass sie mit den Gräueltaten der wiedererstarkten M23-Miliz in der Region nichts zu tun haben.
Die Folge waren Morddrohungen gegen Greenpeace-Mitarbeiter von anonymen Anrufern und eine Flut von Anschuldigungen wegen Hochverrats und weiteren Gewaltandrohungen gegen befreundete Umweltaktivisten in den sozialen Medien. Die bedrohliche Atmosphäre brachte die informelle Koalition der Aktivisten nur noch enger zusammen. Innerhalb von zwei Jahren kristallisierte sich daraus eine ganz neue Bewegung heraus, zu deren Gründern Muamba gehörte.
DIE ROTE FAHNE, DIE UNS ZUSAMMENGEFÜHRT HAT
Die D.R. Kongo ist das rohstoffreichste Land der Welt und verfügt über unübertroffene Reserven an wertvollen Mineralien, doch die Menschen dort gehören zu den Ärmsten. Dieses Paradoxon ist ein Erbe der endemischen Korruption, die von einstigen Kolonialmächten gefördert wurde, die ununterbrochenen Zugang zu diese Ressourcen zu minimalen Kosten.
Der erste gewählte Premierminister der D.R. Kongo nach der Unabhängigkeit, Patrice Lumumba, wollte, dass sein Land die volle Kontrolle über diese Ressourcen hat. Er wurde prompt durch einen Militärputsch ermordet, der vom kongolesischen Armeechef Joseph Mobutu angeführt, aber von der amerikanischen und belgischen Regierung orchestriert wurde.
Mobutu regierte die nächsten 32 Jahre als Diktator und zwang das Land auf einen Weg der Korruption, der Ausbeutung und des Krieges, von dem es sich bis heute nur schwer wieder lösen kann. Das Ausmaß der Korruption kann schwindelerregend sein. Der israelische Tycoon Dan Gertler schloss mit der kongolesischen Regierung Geschäfte zur Erschließung von Mineralien und Öl ab, die so unverschämt unterbewertet waren, dass das US-Finanzministerium Sanktionen gegen ihn verhängte. In nur zwei Jahren hat Gertler das Land um 1,36 Milliarden Dollar betrogen.
Trotz gegenteiliger Versprechungen war es unvermeidlich, dass die neue Ölauktion mit Korruption behaftet sein würde. Letztes Jahr deckte das Bureau of Investigative Journalism auf, dass ein Gebot für einen der Gasblöcke wenige Tage nach der Ankündigung der Auktion zugunsten von Alfajiri Energy manipuliert worden war, einem Unternehmen, das auf ein privates Haus in Kanada eingetragen ist. Der Betrug war besonders ungeheuerlich, weil der Gasblock unter dem Kivu-See lag, einem ungewöhnlich explosiven See mit der Stadt Goma an seiner Küste. Wenn der unbekannte Alfajiri die Erkundung verpfuschte, könnten Millionen von Menschenleben in Gefahr sein.
Kurz nach Bekanntwerden des Skandals zog Perenco sein Angebot für die beiden Ölblöcke in Moanda zurück, und der Kohlenwasserstoffminister, der die Auktion beaufsichtigte, wurde degradiert. Nach einem Jahr, in dem die Gebote ruhten, ständigen Kampagnen im ganzen Land und zunehmender weltweiter Verurteilung, sagte abdie Regierung die Auktion schließlich im Oktober 2024. Die Ankündigung erfolgte nur wenige Tage, nachdem Kamate von seiner Europareise zurückgekehrt war.
Kongolesische Aktivisten haben die Absage begrüßt, aber sie wissen, dass diese Entscheidung nur eine Pause bei der Plünderung ihres Landes, aber kein endgültiges Ende. Der neue Minister für Kohlenwasserstoffe hat versprochen, die Auktion bald wieder aufzunehmen, wobei die Ölblöcke neu eingezeichnet werden angeblich sollen, um Schutzgebiete zu vermeiden. Sein Ministerium verhandelt auch weiterhin über diskreditierte Gebote für die drei Gasblöcke und setzt sich für die Einbeziehung in die ostafrikanische Rohölpipeline ein, ein ökologisch monströses Projekt, das erhitztes ugandisches Öl bis zu einem Hafen in Tansania für den weltweiten Export bringen soll.
„Warum plant die Regierung, diese Auktion zu wiederholen, wenn sie beim ersten Mal keine guten Ergebnisse gebracht hat?“, fragte Muamba, der jetzt Teil von Notre Terre Sans Pétrole (Unser Land ohne Öl) ist, einer neuen Kampagne, die die vollständige Absage jeglicher Öl- und Gasexploration in der DRK fordert. „Viele Organisationen stellen sich diese Frage, und es ist der rote Tag, der uns zusammengeschweißt hat.
Die Kampagne begann zwei Wochen nach der Absage der Auktion mit Pressekonferenzen und Demonstrationen in Städten im ganzen Land. In Goma lockte ein besonderes Musikkonzert Hunderte von Menschen an. Die Kampagne wird bereits von mehr als 120 Umwelt- und Sozialorganisationen unterstützt, darunter Extinction Rebellion.
Muamba erzählt begeistert, wie dieses neue Aktivistennetzwerk sein Fachwissen austauscht, um bessere Instrumente für die Öffentlichkeitsarbeit zu entwickeln und stärkere Verbindungen zu Gruppen in der ganzen Welt zu knüpfen. „Wir wollen alle Öl- und Versicherungsunternehmen ins Visier nehmen, die in den Ländern, in denen sie ansässig sind, Angebote machen“, sagte er. „Wir haben eine Menge für diese Unternehmen geplant, und wir laden Aktivisten in Amerika, den Großbritannien und Europa, sich uns anzuschließen. Diese Kampagne ist nicht nur für Kongolesen, sie ist für die ganze Welt.“
‚ICH GEHE NACHTS NICHT ALLEIN‘
Kamate lebt jetzt mit Freunden von Aktivisten in Goma, aber die meisten, die in der Stadt Zuflucht gesucht haben, hatten nicht so viel Glück. In der ersten Hälfte des Jahres 2024 wurden mehr als 940.000 Menschen durch den Krieg im Osten vertrieben, wobei die meisten Flüchtlinge in behelfsmäßigen Lagern am Stadtrand von Goma untergebracht sind. Unterernährung, Krankheiten und Bandengewalt sind weit verbreitet.
„Die Lebensbedingungen sind extrem schlecht“, sagte Kamate, der die Lager mit anderen Aktivistengruppen besucht hat. „Es gibt keine Lebensmittel, kein sauberes Wasser, die Menschen sind gezwungen, zu sammeln, was sie können. Die Familien schlafen auf dem Boden, zusammengepfercht auf engstem Raum. Ich habe gesehen, wie sich Krankheiten wie Affenpocken in diesen Lagern ausbreiten“.
Auch in der Stadt Goma verschlechtert sich die Lage. „Milizen und Banden greifen die Menschen an und plündern Häuser“, fügte er hinzu. „Wir wissen nicht, woher sie kommen, aber wenn man sich ihnen widersetzt, wird man erschossen. Leichen werden an den Ufern des Kivu-Sees zurückgelassen. Ich gehe nachts nicht mehr allein spazieren.“
Trotz der Gefahren besucht Kamate weiterhin die Lager und Dörfer in der Provinz, solange es der Krieg zulässt. Anstatt junge Menschen an die Banden und Milizen zu verlieren, die sich in der gesamten Region ausbreiten, möchte er eine Generation heranbilden, die friedliche Proteste begrüßt und versteht, dass es nur dann Sicherheit geben wird, wenn die multinationalen Bergbauunternehmen ferngehalten werden.
Seit seiner Rückkehr von seiner Europareise nimmt er auch an wöchentlichen Online-Treffen mit seinen Genossen der Congo Basin Alliance in Deutschland teil. Die neue Gruppe arbeitet an Kampagnen, um Druck auf westliche Unternehmen auszuüben, die immer noch an kongolesischem Öl und Gas interessiert sind, und um sicherzustellen, dass im Falle einer erneuten Auktion der friedliche Widerstand dagegen sowohl auf kongolesischen als auch auf europäischen Straßen zunimmt.
Die in Brüssel ansässige EU hat vor kurzem ein umfangreiches Mineralien-Lieferabkommen mit Ruanda unterzeichnet, obwohl sie weiß, dass das Land den Krieg in der D.R. Kongo aufrechterhält. Die M23-Miliz wird nicht nur von der ruandischen Armee ausgebildet und unterstützt, sondern es kämpfen auch Soldaten an ihrer Seite, damit Ruanda die gestohlenen kongolesischen Mineralien als seine eigenen ausgeben kann.
Der Schmuggel ist eklatant. Die M23 hat die Kontrolle über wichtige Coltan-Minen in der Nähe der Grenze zu Ruanda übernommen, und nun ist Ruanda plötzlich der weltweit größte Exporteur von Coltan, obwohl es eine der kleinsten Bergbauindustrien in Afrika hat. Coltan ist für elektronische Geräte wie Smartphones und Batterien für Elektroautos unverzichtbar, und die weltweite Nachfrage war noch nie so hoch.
Es ist nicht nur die EU, die wegschaut. Auch die amerikanische und die britische Regierung belohnten Ruanda im Jahr 2023 mit Investitionen in Höhe von Hunderten von Millionen Dollar, während sie zu dessen Kriegstreiberei schwiegen. Dieselben Kolonialmächte, die vor über einem Jahrhundert mit der Ausplünderung der D.R. Kongo begannen, haben einen neuen regionalen Stellvertreter gefunden, um die Ausplünderung fortzusetzen und das kongolesische Volk in einem Kreislauf aus Korruption, Armut und Krieg gefangen zu halten.
„Ich wurde im Krieg geboren, ging während des Krieges in die Grundschule und dann in die weiterführende Schule. Wir sind des Krieges überdrüssig“, sagte Kamate. „Die Politik ist nicht der beste Weg, um etwas zu verändern. Es gibt Tausende von politischen Parteien in der D.R. Kongo, und sie haben nichts erreicht. Der friedliche Protest ist die letzte Chance für das kongolesische Volk.“
Anmerkung: Francois Kamate musste aufgrund des eskalierenden Krieges im Osten der DR Kongo Anfang des Jahres 2025 fliehen. Er führt seinen Aktivismus seitdem im Westen des Landes fort.
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ADEM AY
Adem Ay ist Schriftsteller und Aktivist und lebt in London. Er arbeitete fünf Jahre lang für Extinction Rebellion, wo er half, das globale Medienteam zu koordinieren und einen globalen Newsletter herauszugeben, der ihn mit Aktivisten auf der ganzen Welt verband. Er möchte ihre Ideen verbreiten inspirierende Geschichten so weit und so weit wie möglich zu verbreiten.